Atommüll

Für eine strahlende statt verstrahlte Zukunft

Dieses Positionspapier wurde an der Mitgliederversammlung vom 8. September 2020 beschlossen.

Stellen wir uns doch einmal vor, ein Flugzeug würde starten, ohne dass jemand weiss, wie man es wieder landet. Was sich wie ein schlechter Witz anhört, ist bei der Entsorgung von radioaktiven Abfällen bittere Realität. Jahrzehntelang hat man von einer vermeintlich sauberen und billigen Energiequelle profitiert. Doch mit der Frage danach, wie mit dem für Mensch und Umwelt hochgradig gefährlichen Abfall umzugehen ist, hat sich kaum jemand beschäftigt. Das Problem wurde einfach den nächsten Generationen überlassen.

Die Frage, mit der sich die heutige und die nachfolgenden Generationen beschäftigen müssen, könnte schwieriger nicht sein. Wie stellen wir sicher, dass hochradioaktiver Abfall für die nächste Million Jahre sicher gelagert wird? Für die Schweiz scheint die Lösung gefunden zu sein: vergraben und vergessen. Durch aufwendige Standortverfahren und Studien sollen Orte gefunden werden, die diese schwerwiegende Last der Menschheitsgeschichte aufnehmen sollen und dabei garantieren, dass sie für keine*n der zukünftigen Bewohner*innen dieses Planeten zur Gefahr wird.

Drei Regionen in der Schweiz sind in der engeren Auswahl als möglicher Standort eines sogenannten «Tiefenlagers». Einer dieser Standorte ist die Region Lägern im Zürcher Unterland. Als Unterländer Jungpartei sehen wir uns in der Pflicht, zu diesem Thema Stellung zu beziehen, da vor allem wir es sind, die den Bau und Betrieb dieses Tiefenlagers noch miterleben werden.

Grundsätzliche Position

Wir sind uns bewusst, dass eine Lösung für die Entsorgung des Atommülls gefunden werden muss und dass hierbei die Meinung qualifizierter Wissenschaftler*innen von höchster Relevanz ist. Ebenfalls sind wir uns bewusst, dass diese Wissenschaftler*innen sich weltweit einig sind, dass ein Tiefenlager die beste und sicherste Lösung darstellt. Unsere Position stellt sich folglich nicht gegen ein Tiefenlager in der Schweiz, sondern nur gegen den aktuellen Plan, dieses derart langzeitig umzusetzen. Wir finden, dass es zum jetzigen Zeitpunkt zu früh ist, zu Entscheiden ein Tiefenlager in der Schweiz für über eine Million Jahre anzulegen.

Erstens verlangen wir, dass vor dem Standortentscheid für alle Atomkraftwerke in der Schweiz konkrete Abschalttermine festgelegt sind. Ansonsten könnte das Tiefenlager zu einer Rechtfertigung für verlängerte Laufzeiten werden. Das Gefahrenpotential der Kraftwerke und des radioaktiven Mülls würde durch das Bestehen eines Lagers heruntergespielt.

Wir verlangen, dass der Staat sofort mit dem beschleunigten Abschaltungsprozess der Schweizer Atomkraftwerken beginnt und sofort massiv die Erschliessung von nachhaltiger, inländischer Stromgewinnung fördert, so dass wir nicht auf fossile Energie aus dem Ausland angewiesen sind. Das Endlager soll kein isoliertes Zweckprojekt sein, sondern Teil einer nachhaltigen Gesamterneuerung unserer Stromversorgung.

Zu diesem Punkt ist hinzuzufügen, dass während dieser Wartezeit wichtige Erkenntnisse aus der praktischen Erfahrung anderer Länder, allen voran Finnland, gewonnen werden können. Berichte anderer Länder abzuwarten, die ihre Endlager bereits konkretisieren, ist sicherlich von grossem wissenschaftlichem Wert.

Den Plan der NAGRA, ein Tiefenlager auf eine Million Jahre hinaus zu bauen, erscheint uns unrealistisch und verharmlosend. Wir wollen ein Tiefenlager, das immer dem jeweils aktuellen wissenschaftlichen Standard entspricht. Eines nach dem jetzigen Stand zu bauen und dann auf ewig zu verschliessen wäre unwissenschaftlich. Wissenschaftliche Unterfangen müssen immer offen für Weiterentwicklungen bleiben. Nur so kann der Gesellschaft und ihren zukünftigen Generationen wirkliche Sicherheit geboten werden.

Unsere Vorstellung sieht deshalb eine langfristige, aber niemals definitive Lagerung vor. In regelmässigen Abständen von höchstens 50 Jahren soll das Konzept von Fachleuten begutachtet werden. Falls diese Fachleute eine Änderung am Lager empfehlen, muss über deren Umsetzung abgestimmt werden. Für besonders gewichtig halten wir deshalb die garantierte Rückholbarkeit des Atommülls zu jedem Zeitpunkt.

Neben den Abstimmungen in Zusammenhang mit der fachkundigen Beurteilung fordern wir zusätzlich Abstimmungen über die schweizerische Atommüllstrategie generell. Im Abstand von höchstens 20 Jahren soll über den zukünftigen Umgang mit dem Lager und allen zugehörigen Komponenten abgestimmt werden.

Grundsätzlich und für alle oben aufgeführten Punkte muss ausserdem gelten, dass bei der Umsetzung ausschliesslich die Sicherheit und das Wohl unserer Gesellschaft priorisiert und daneben nur wissenschaftliche Argumente berücksichtigt werden. Geld darf bei einem solch wichtigen Unterfangen keine Rolle spielen.

Sicherheit

Wir sind uns bewusst, dass eine Lösung für den Schweizer Atommüll gefunden werden muss. Bei einer solchen Lösung spielt für uns die Sicherheit eine sehr grosse Rolle. Dies betrifft nicht nur die Anwohner*innen des Unterlands, sondern auch die nichtmenschlichen Tiere und die Natur, welche durch den Bau eines Tiefenlagers betroffen sind.

Die Sicherheit eines Tiefenlagers kann nur dann gewährleistet werden, wenn die Rückholbarkeit des Atommülls immer gewährleistet wird. Würde das Tiefenlager endgültig verschlossen, so könnte man nur schlecht auf Missstände und zukünftige wissenschaftliche Entwicklungen reagieren. Dies will die JUSO im Sinne der Menschen, Tiere und der Natur verhindern. Des Weiteren muss das Sicherheitskonzept, welches für das Tiefenlager gilt, stetig überarbeitet und auf den neuesten Stand der Wissenschaft gebracht werden.

Demokratisierung

Da die NAGRA wie auch AKW Betreiber*innen unter finanziellem Druck stehen, sind diese daran interessiert, möglichst schnell und unkompliziert ein Tiefenlager zu errichten.[1] Doch bei einer derart wichtigen und langzeitigen Entscheidung sollten nicht rein wirtschaftliche Interessen, sondern Demokratie und Sicherheit ausschlaggebend sein.

Wir sind allerdings nicht der Meinung, dass die Gemeinden in der Umgebung des Tiefenlagers mittels Abstimmungen dessen Erbauung verhindern können sollten. Alle in der Schweiz lebenden Menschen haben vom Atomstrom profitiert. Nun ist es an uns allen, die Konsequenzen zu tragen. Die Anwohnenden der betroffenen Gemeinden sollten sich deshalb solidarisch mit dem Rest der Schweiz zeigen und dieses Tiefenlager annehmen. Der Rest der Schweiz sollte sich im Gegenzug solidarisch mit diesen Gemeinden zeigen und ihnen angemessene Ersatzzahlungen genehmigen.

Entschädigungen

Viele Einwohner*innen befürchten, dass der radioaktive Müll eine Gefahr sein könnte, zudem könnte das Tiefenlager als negativer Standortfaktor aufgefasst werden. Den betroffenen Gemeinden muss also eine Entschädigung für den erlittenen emotionalen und finanziellen Schaden angeboten werden. Beispielsweise könnte, wie für das deutsche Endlager Schacht Konrad bei Salzgitter, ein Fonds gegründet werden, welcher von den Kantonen beziehungsweise von den sich im Besitz der Kantone befindenden atomaren Energiekonzernen finanziert werden. Es müsste jedoch sichergestellt werden, dass das Geld aus dem Fonds auch wirklich bei der Bevölkerung ankommt. Wir wollen also nicht, dass das Geld dazu verwendet wird, den allgemeinen Steuerfuss zu senken, sondern um die Lebensqualität aller Anwohnenden zu steigern Die Höhe der Entschädigung müsste anhand der vorhersehbaren finanziellen Ausfälle berechnet werden.

Eine Entschädigung für den Standort wäre jedoch keine Neuigkeit. Die Gemeinde Würenlingen im Aargau, wo sich das aktuelle Zwischenlager befindet, sowie ihre Nachbargemeinden werden bereits entschädigt.

Abschaffung und Ersetzung der NAGRA

Die Aufgabe der NAGRA ist nach eigenen Angaben auf der Webseite das Erarbeiten von technisch-wissenschaftlichen Grundlagen und von Standortvorschlägen, sowie das Durchführen von Standortuntersuchungen und das Vorbereiten des Baus und Betriebs eines Tiefenlagers. Aufgestellt ist die NAGRA in der Form einer Genossenschaft, deren Genossenschafter*innen die Kernkraftwerkbetreiber*innen, die ZWILAG AG (Zwischenlager Würenlingen) und die Schweizerische Eidgenossenschaft sind. Somit haben die Betreiber*innen der Kernkraftwerke auch ein Mitspracherecht in der NAGRA. Für uns ist klar, dass eine Organisation, welche von den AKW-Betreiber*innen sowohl in finanzieller als auch inhaltlicher Hinsicht abhängig ist, den Auftrag der NAGRA nicht im alleinigen Interesse der Gesellschaft wahrnehmen kann. Eine Organisation wie die NAGRA muss unabhängig von den Interessen der AKW-Betreiber*innen handeln können. Die Finanzierung einer solchen Organisation soll jedoch klarerweise durch die AKW-Betreiber*innen geschehen: Sie sind es schliesslich, welche von der Kernkraft am meisten profitiert haben.

Die JUSO Zürich Unterland fordert aus diesem Grund, dass die NAGRA entweder nach den oben genannten Grundsätzen neuformiert oder zu Gunsten einer anderen Organisation, welche den obigen Faktoren entspricht, ersetzt wird.


[1] Anhand des schwedischen Beispiels lässt sich dieser Zustand gut illustrieren: Dort hätte die SKB (schwedische NAGRA, Zusammenschluss der schwedischen AKW Betreiber*innen) ein Konzept für ein Endlager entwickeln müssen. Um die Kosten tief zu halten, wurden im Konzept gefährliche Sicherheitsrisiken in Kauf genommen. Insbesondere die Kupferwand um das Material wurde so dünn geplant, dass nach wenigen 100 Jahren Strahlenmüll in die Umwelt gelangt wäre. Das Projekt wurde wegen diesen bedeutenden Unsicherheiten schliesslich nicht genehmigt.